Park & Platz statt Parkplatz
Ort Hannover
Thema Platzgestaltung
Fachrichtung Architektur
Verfahren nicht offener Wettbewerb, Auftrag
Zeitraum 1029-2021
Auslober:in|Bauherr:in Vonovia, Landeshauptstadt
Kooperation SHIFT
Aktuell ist der Pastor-Karwehl-Platz vor allem eines – ein Parkplatz. Ein riesiger versiegelter Raum mitten in Schinkel. An die historische Allee geklammert, mit einem schweren Stück Beton.
Dieser wird im Konzept „Park & Platz“ aufgebrochen: Der Platz wird entsiegelt und in diversen Formen nutzbar gemacht, um eine Klimaanpassung und Steigerung der Lebensqualität zu erreichen. Diese Anziehung geht am Markttag auch über den Schinkel hinaus. An Nicht-Markttagen verdient es der Platz in seiner prominenten Lage (endlich) erlebt zu werden.
Es entsteht ein Park & Platz anstelle des Status quo – des Parkplatzes. Ein Stadtplatz für Schinkel, der eine Symbiose aus Befestigung und Bepflanzung zum Ziel hat.
shortstory // Ein Wandel durch die Jahreszeiten
Bei Hitze im Sommer ist es kühl unter dem Sonnenseegel oder bei den Blickinseln zwischen den alten Linden. Vielleicht einen Eiskaffee auf der Sonnenbank schlürfen oder eine Doppelkopfrunde im Schatten spielen oder doch lieber Beeren naschen auf einem der Wandelpfade? Bei Regen schnell unter das [Sonnen]segel stellen und von oben beobachten, wie sich die Mulde langsam füllt. Die Mulde ist verschattet, das Wasser verdunstet nicht direkt, hat Zeit zum Versickern. Die Wege liegen tiefer, der Regen wird auf der Fläche gehalten. Er versickert oder fließt in die Mulden. Ein Teil wird in der Mitte des Platzes, in einer Überlaufzisterne, gesammelt und zum Bewässern an Hitzetagen verwendet. Die vereinzelten, gerodeten Gehölze sind in die Flächen als Sitzmöbel und Lebensräume für Insekten integriert.
Im Herbst wird es langsam kalt, es wird eher geschlendert statt gesessen. Die bunten Farben des wöchentlichen Marktes konkurrieren mit den Herbstblühern und der Laubfärbung des Parks. Der Markt ist durch die Mikrofuge barrierefrei zu erreichen, die Marktstände stehen auf Rasenlinienpflaster, um den Versieglungsgrad gering zu halten. Es wird zum Erlebnis durch die Wandelpfade zu gehen, zwischen den Wildstaudenstrukturen die Insekten zu beobachten, wie sie die letzten Tropfen Nektar für den Winter sammeln.
Auch im Winter ist es noch spannend dort entlangzuwandeln, wenn der Tau auf den Stempeln und den Gräsern hängt. Die Bepflanzung hat einen wilden Charakter, keine Stringenz, keine klaren Kanten. Das Rasenlinienpflaster zieht sich in die Beete. Ein Stück Natur in der Stadt und neue Lebensräume für mehr Artenvielfalt für Flora & Fauna im Schinkel. Jetzt im Winter wird die Kirche auch von jedem Fleck des Platzes in voller Pracht sichtbar.
Sobald es Frühjahr wird, fangen die Kronen an dichter zu werden, der Mittelteil der Kirche verschwindet erneut hinter frischem, grünem Laub. Doch die Spitze und der Eingang sind immer zu sehen. Vor der Pauluskirche schreitet ein Brautpaar aus den dicken Holztüren hinaus in die ersten warmen Sonnenstrahlen. Gegenüber auf dem Platz wird schon der Sektempfang vorbereitet. Das Spalier aus Familie und Freunde bildet sich über die Straße. Schon bald erhalten die Beete ihren Jahresschnitt. Die Startbepflanzung ist pflegearm, versamt sich automatisch und entwickelt sich über die Jahre weiter. Kurz geschoren ist es wie ein vorsichtiges Innehalten der Natur. Ein Innehalten auch für das menschliche Empfinden und die Schärfung des Bewusstseins für mehr Biodiversität im Stadtraum. Ab jetzt werden fast täglich die Veränderungen erkennbar, der Winterschlaf von Flora & Fauna ist vorbei. Die Stauden und Gräser wachsen schnell hoch, verändern ihre Struktur und ziehen die Aufmerksamkeit der Bienen der Umgebung auf sich. Die Obststräucher am Wandelpfad entwickeln die ersten Knospen und ein neuer Jahreslauf beginnt.
Der Raum wird zu einem Mikro-Park: Unterschiedliche Wege laden zum Wandeln ein, auf denen unterschiedliche Natur- und Landschaftserlebnisse erlebt werden. Historische / Prägende Gehölze werden sichtbar gemacht / freigestellt und dadurch gestärkt, neue werden behutsam ergänzt. Die historische Rasenfläche bleibt bestehen und wird angeschlossen. Sträucher, eine lebhafte Startbepflanzung sowie die Entwicklung von Mulden mit Feuchtpflanzen bieten ein besonderes Erlebnis mitten in Schinkel.
Der Raum bleibt aber auch mit befestigten Flächen für Markttage und Veranstaltungen ein Platz, aber untergeordnet, mit einer Versiegelung von nur 30 %. Dabei sind die Hauptwege und Blickinseln in der Allee immer barrierefrei zu erreichen und zu durchqueren. Bei Veranstaltungen, wie dem Markt, werden die Hauptwege als Orientierungslinien genutzt, sodass Fahrzeuge auf den Rasenliniensteinen und am barrierefreien Hauptweg stehen. Die aktive Mitte wird zum Treffpunkt mit Schatten, diversen Sitzmöglichkeiten und Trinkwasser. Die Straße an der Kirche wird auf 4,50 m verengt und der Kirchvorplatz im Westen erweitert.
Park & Platz bilden ebenfalls eine Symbiose. Unterschiedliche Landschaftsräume und Aufenthaltsorte treffen an unterschiedlichen Orten aufeinander und bilden unterschiedliche Qualitäten aus. Die Bewohner*Innen Schinkels schauen nicht mehr auf diese graue, riesige Fläche, sondern sind auf einmal mittendrin – in einem Landschaftserlebnis, einer grünen Oase, vor Ihrer Haustür.
Der Pastor-Karwehl-Platz lädt zukünftig nicht nur die Bewohner*Innen Schinkels zum Aufenthalt ein, sondern lädt auch die Radfahrenden auf der Erholungsroute ‚Grüner Hauptweg 13‘ zur Schinkelbergwiese zu einer Pause im Schatten ein. Die Allee wird im Süd-Osten bewusst ergänzt, um die Grünverbindung zu stärken. Die Bäume an den Kanten des Platzes werden freigestellt, wodurch Eingänge und Sichtachsen geformt werden. Die Kanten der Allee und der Gebäude werden aufgenommen, um den Kirchenvorplatz zu ergänzen.